Monday, 28 January 2008

Meinung: Theo Sommer über Blair als EU-Präsidenten

DIE ZEIT: Tony Blair soll der erste Vollzeitpräsident der Europäischen Union werden. Ausgerechnet Blair, ausgerechnet ein Brite: Das ist wirklich eine absurde Idee

Was immer Tony Blair sich in den zehn Jahren seiner Amtszeit als britischer Premier an Verdiensten erworben haben mag – Verdienste um die Europäische Union sind nicht dabei. Als er 1997 in die Downing Street 10 einzog, gab er sich als passionierter Europäer und gelobte, Großbritannien „ins Herz Europas“ zu rücken.

Es ist ihm nicht gelungen. Er hat es nicht einmal ernsthaft versucht. Vielmehr blieb seine Europapolitik trügerisch und halbherzig. Zaghaftigkeit charakterisierte sie, Nachgiebigkeit gegenüber den euro-phoben Pressezaren seines Landes, unbegreifliches Kuschen vor seinem Schatzkanzler und Nachfolger Gordon Brown, der eine „rote Linie“ nach der anderen zog, die das Vereinigte Königreich auf der Straße nach Brüssel nicht überschreiten dürfe.

So kommt es, dass England noch immer nicht mit beiden Beinen in Europa steht, geschweige denn mit dem Herzen im Herz der Union. Es ist bis heute ein Außenseiter geblieben. Beim Euro ist es nicht dabei; in der Schengen-Zone macht es nicht mit; die Grundrechte-Charta hat es nicht übernommen; aus der gemeinsamen Justiz- und Sicherheitspolitik hat es sich in den Verhandlungen über den Reformvertrag ausgeklinkt. Als Blair aus dem Amt schied, war Großbritannien innerlich weiter von der EU entfernt als bei seinem Amtsantritt.

Der künftige EU-Präsident soll nach dem Lissaboner Vertrag zweieinhalb Jahre amtieren, nicht länger bloß sechs Monate. Es ist schlechthin unvorstellbar, dass er, der doch die Stimme Europas sein wird, das europäische Projekt nicht mit vollem Engagement verficht. Mit einem Präsidenten, der Europapolitik nur mit halbem Herzen betreibt, ist der Union nicht gedient. Den Bock zum Gärtner >>> Von Theo Sommer

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