Tuesday, 23 March 2010

«Der Euro liegt im Sterben»

NZZ am SONNTAG: Die Währungsunion und der Euro leiden an einem Geburtsfehler, sagt der Historiker Niall Ferguson. Die Währungsintegration sei zum Scheitern verurteilt, da einzelne Mitglieder ausscheren und wieder eigene Währungen einführen werden. Interview: Chanchal Biswas und Charlotte Jacquemart

NZZ am Sonntag: Der Euro-Raum und der Euro werden seit Wochen heftig durchgeschüttelt, weil der griechische Staat ein Schuldenproblem hat. Was läuft falsch mit der Einheitswährung?

Ferguson: Der Euro krankt an denselben Mängeln wie vor zehn Jahren. Ich habe 1999 darauf hingewiesen, dass der Euro eine instabile Konstruktion ist. Mit dem Euro-Raum wurden zwar eine Währungsunion und eine gemeinsame Währung geschaffen, aber die Mitgliedstaaten haben an ihrer eigenen Finanzpolitik festgehalten. Das bedeutet, dass niemand dafür sorgt, dass das Verhältnis zwischen Ausgaben und Einnahmen in den einzelnen Ländern in etwa übereinstimmt.

Warum wäre das wichtig?

Eine gemeinsame Währung funktioniert nur, wenn sich keines der Mitgliedländer übermässig verschuldet. Das ist aber im Euro-Raum schwierig, nur schon weil die Mitgliedstaaten Bevölkerungen haben, die unterschiedlich schnell altern, und weil sie ihren Bewohnern unterschiedlich grosse Altersrenten versprochen haben. Diese Ungleichheiten gab es immer, aber erst die weltweite Finanzkrise hat sie zutage gebracht. Jetzt ist allen bewusst, auf welch schmalem Grat sich die Staaten Portugal, Italien, Spanien und Griechenland finanzpolitisch bewegen. Und wie gross ihr Abstand zu Deutschland oder den Niederlanden ist.

Warum spielen in der Währungsunion demografische Unterschiede eine Rolle?

Staaten mit grosszügiger sozialer Wohlfahrt, die Renten garantieren und diese früh zahlen, müssen dies mit Steuereinnahmen finanzieren. Steigen diese Ausgaben schnell, weil die Bevölkerung schnell altert, wird der Sozialstaat aus den Angeln gehoben. Das ist in den südlichen Ländern des Euro-Raums der Fall, deshalb werden ihre Defizite grösser. >>> Interview: Chanchal Biswas und Charlotte Jacquemart | Sonntag, 21. März 2010