WIRTSCHAFTSWOCHE: Roland Tichy über die Kosten der Währungsreform
Eine Währungsreform ist die Änderung von relevanten Merkmalen einer Währung. Die jüngste Währungsreform liegt gerade eine Woche hinter uns, sie datiert auf den 9. Mai 2010. Seither ist der uns bekannte Euro verschieden, und eine neue, inflationsgefährdete Weichwährung ist entstanden. Das innere Gefüge, die bisherigen Merkmale der Währungsunion, wurde über Nacht fast putschartig manipuliert.
So wird die Europäische Zentralbank in Zukunft wertlose Staatsanleihen gegen Euro ankaufen. Damit wird frisches Geld gedruckt, wenn die Regierungen es gerade brauchen. Noch vor wenigen Tagen hat der Präsident der Europäischen Zentralbank, Jean-Claude Trichet, dies ausgeschlossen, denn die Währungsgeschichte lehrt: Die direkte Staatsfinanzierung ist Hauptursache für Inflation. Und: Der Euro war gerade wegen der Unabhängigkeit der Zentralbank und ihres strikten Stabilitätskurses nach dem Muster der Deutschen Bundesbank bislang vorbildlich stabil.
In Zukunft ist er eine Weichwährung nach dem Vorbild des französischen Franc und der italienischen Lira. Selbst im Rat der Europäischen Zentralbank, dem obersten Entscheidungsgremium, das sonst meist einstimmig entscheidet, gab es Widerstand. BundesbankPräsident Axel Weber benannte öffentlich „erhebliche Risiken“ für die Geldwertstabilität. Dieser Widerspruch aus dem Innersten der EZB zeigt: Es waren nicht unabweisbare, zwingende Gründe, sondern es war politischer Druck, dem die Währungshüter nachgegeben haben. Wenn also der französische Präsident nach mehr Geld pfeift – Jean-Claude Trichet wird es brav apportieren. Die EZB hat ihre Unabhängigkeit verspielt. >>> Von Roland Tichy, Chefredakteur der Wirtschaftswoche | Samstag, 15. Mai 2010