Sunday, 12 June 2011

Schuldenkrise: Griechische Tragödie

FRANKFURTER ALLGEMEINE: Nirgends in der Eurozone zogen die Preise nach Einführung des Euro schneller an als in Griechenland. Warnungen hat es viele gegeben. Das Land aber schritt wohlgemut seinem Untergang entgegen.

Es ist verblüffend, wie vorhersehbar Griechenlands Finanzdesaster war – im Nachhinein betrachtet. Dass die verantwortungslose Schuldenmacherei der Athener Regierungen nicht ewig so weitergehen könne, davor warnten viele. Dass die Weigerung griechischer Politiker, ihren Wählern die Wahrheit zuzumuten, eines Tages zu einem bösen Ende führen werde, war ebenfalls seit Jahren zu hören. Doch wie exakt einige Kassandras das Unheil schon vor einem Jahrzehnt kommen sahen, das ist bemerkenswert.

Früh warnten sie vor dem starken Anstieg der Lebenshaltungskosten, der mit dem Euro in Griechenland Einzug hielt und die ohnehin angeschlagene Wettbewerbsfähigkeit des Landes weiter beeinträchtigte. Im Januar 2002, als die neue Währung als Bargeld eingeführt wurde, betrug der Umrechnungskurs 340 Drachmen für einen Euro. Wer damals 3400 Drachmen bei sich trug, hatte viel Geld. Davon ließ sich zum Beispiel ohne Schwierigkeiten ein Mittagessen in einer üblichen Taverne bezahlen, das Glas Wein inklusive. Doch für zehn Euro, das zeigte sich bald, bekamen die Griechen von 2002 an schlagartig weniger als zuvor noch für 3400 Drachmen. In Geschäften und Restaurants wurde großzügig aufgerundet, und viele Griechen hatten Schwierigkeiten, sich an die Tatsache zu gewöhnen, dass nun selbst Münzen etwas wert waren – im Gegensatz zu den Lepta, den griechischen Pfennigen. » | Von Michael Martens | F.A.Z. | Sonntag 12. Juni 2011