WELT ONLINE: Amerika als Gralshüter des Kapitalismus – diese Zeiten scheinen vorbei zu sein. In der Not werden kapitalistische Grundsätze über Bord geworfen. Verstaatlichungen, Regulierungswahn, immer neue Milliardenausgaben: In den USA ist der starke Staat auf dem Vormarsch.
Aus der Autostadt Detroit war General-Motors-Chef Rick Wagoner am Freitag nach Washington gereist. Vor Senatoren forderte er auf dem Kapitolhügel „Zugang zu Kapital“ aus der Hauptstadt. Im vollbesetzten Saal „Dirksen G50“ des US-Kongresses erntete er prompt zustimmendes Nicken.
Die Reaktion war fast zu erwarten. Schließlich soll schon der Namenspatron des Gebäudes, der Ex-Senator Everett Dirksen, gesagt haben: „Eine Milliarde hier, eine Milliarde da – und bald redet man über richtiges Geld.“ Nur dass heutzutage in Washington selten von einstelligen Milliardensummen die Rede ist, wenn über neue Ausgabenprogramme debattiert wird – sondern regelmäßig von zwei- und immer häufiger von dreistelligen Beträgen.
Die großen Autofirmen aus Detroit wollen 50 Milliarden Dollar in Form von zinsvergünstigten Staatskrediten. Ein Paket von Energiesubventionen aus dem vergangenen Jahr kostet 80 Milliarden Dollar, allein für Ethanol-Subventionen werden gegenwärtig zehn Milliarden Dollar jährlich ausgegeben. Das Konjunkturpaket aus dem Frühjahr schlug mit 150 Milliarden Dollar zu Buche, ein zweites, das vor allem der demokratische Präsidentschaftskandidat Barack Obama fordert, würde weitere 50 Milliarden erfordern. Und die gerade lancierte Rettung der zuvor kräftig von Behörden und Politikern gepäppelten Immobilienbanken Fannie Mae und Freddie Mac könnte gar 200 Milliarden Dollar verschlingen. „Die Ära von ‚big government‘ ist wieder da, mehr denn je“, schreibt das „Wall Street Journal“. Verstaatlichungen: USA verabschiedet sich vom reinen Kapitalismus >>> Von Martin Dowideit und Olaf Gersemann | 13. September 2008
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