WELT ONLINE: Spätere Rente, höhere Abgaben, weniger Lohn: Von Sizilien bis Stockholm zerbrechen sich Finanzexperten den Kopf über Wege aus der Schuldenkrise. Seit 2008 hat sich das Staatsdefizit in der EU verdreifacht. Jetzt bekommt eine halbe Milliarde Menschen die Ausläufer des griechischen Bebens richtig zu spüren.
Blass sitzt Elena Salgado am Freitagmittag vor den Fernsehkameras im Madrider Regierungssitz Moncloa. Bedächtig legt Spaniens Wirtschaftsministerin Folie auf Folie; es sind Statistiken des Schreckens, die Salgado den Spaniern wieder einmal vorlesen muss.
Die Arbeitslosigkeit wird bis 2013 stärker ansteigen als die Regierung prognostiziert hatte. Und das am Vortag beschlossene neue Sparpaket von 15 Milliarden Euro, es reicht noch lange nicht. „Es werden weitere Maßnahmen folgen“, sagt Salgado. Wie auch immer sie es formulierte, es musste wie eine Drohung klingen.
Vom hohen Nordosten bis an die Südwestspitze Europas bekommt eine halbe Milliarde Menschen die Ausläufer des griechischen Bebens jetzt richtig zu spüren. Alle Regierungen wussten schon lange, dass ihre Finanzen nicht stimmen. Einige hatten sich bereits zu Beginn der Krise im Herbst 2008 zum Sparen durchgerungen, gezwungenermaßen, damit sie Gelder des Internationalen Währungsfonds (IWF) bekommen: Ungarn zum Beispiel, oder Lettland.
Doch erst der Absturz des Euro, die Achterbahnfahrt der Börsen und der milliardenschwere Rettungsschirm, gespannt am ersten Maiwochenende in Brüssel, haben in allen EU-Staaten eine nie gekannte Sparwelle ausgelöst. Seit 2008 hat sich das Staatsdefizit in der Union verdreifacht. Nun stehen einige Länder kurz vor dem Abgrund, andere müssen dringend die Schere ansetzen, um Schlimmeres zu vermeiden. Aber selbst jene, deren Verschuldung überschaubar und deren Wachstum zumindest existent ist, wollen lieber jetzt vorsorgen. Denn der Augenblick, so bitter es klingt, ist für die Politik günstig: Nie war den Europäern bewusster, dass es jetzt um alles geht. >>> Von Stefanie Bolzen | Samstag, 29. Mai 2010